Liberaler Wind an der erste Schulsynode…
Mit der Verfassung von 1831 ist im Kanton Zürich eine tief greifende Reform in liberalem Geist eingeleitet worden. Die veraltete Schulorganisation des Ancien Regime wurde in ein modernes, von den Ideen der Aufklärung geprägtes und von der Kirche losgelöstes Schulsystem überführt.
Der erste Synodalpräsident, der Politiker Conrad Melchior Hirzel, eröffnete die Versammlung von 1834 mit einer Grundsatzrede an die rund 400 anwesenden Lehrer und Behördemitglieder: «An Ihnen, meine verehrten Lehrer» - so führte er aus - «ist es nun, die Hoffnungen des Volkes auf eine wahrhafte Verbesserung unseres Schulwesens zu rechtfertigen, die Erwartungen zu erfüllen, welche die Verfassung gehegt, als sie die Schulsynode ins Leben rief. Vergessen Sie nie den Ursprung Ihrer Versammlung, dass sie hervorgegangen ist aus einer freisinnigen Verfassung, die als Ziel die Rechtsgleichheit aller Bürger herbeiführen will, gegründet auf eine tüchtige Bildung für alles Volk. Ziehen Sie dem Staate Bürger heran, fähig, willig, dem Gemeinwohl das eigene Wohl unterzuordnen.
…und schon das Ende?
Die liberalen Neuerungen stiessen jedoch zunehmend auf Kritik und eskalierten schliesslich im Züriputsch von 1839. In den Behörden nahmen wieder konservativ denkende Mitglieder Einsitz und sagten den liberalen Neuerungen den Kampf an.
Die politische Umwälzung wirkte sich auch auf die Synode aus. 1840 tagte die mehrheitlich liberal gesinnte Lehrerschaft in der Stadtkirche Winterthur. Die Mehrheit der Teilnehmer kam aus Opposition und beschloss, dem Regierungsrat einen Protest einzureichen.
Überdies wählte die Versammlung Thomas Scherr zum Synodalpräsidenten. Der Erziehungsrat hatte diesen kurz zuvor als Seminardirektor von Küsnacht entlassen. Damit war der Bruch zwischen Erziehungsrat und Synode vollständig. Der Regierungsrat erklärte die Synodalbeschlüsse für nichtig.
Die Synode wäre wohl aufgehoben worden, hätte sich nicht eine von rund zehntausend Bürgern besuchte Volksversammlung in Bassersdorf mit der Lehrerschaft solidarisiert.
Ausschluss der Universitätsprofessoren und Kantonsschullehrer
Das 1841 vom Grossen Rat erlassene neue Synodalgesetz hob die Schulkapitel auf und schloss Universitätsprofessoren und Kantonsschullehrer von der Synodalversammlung aus. Mit der Beschränkung auf die Lehrerschaft der Volksschule hofften die Behörden, wichtige Opponenten fernzuhalten. Der Erziehungsrat erhielt das Recht, den Synodalpräsidenten zu ernennen.
Lehrerschaft in der Opposition
Von 1841 bis 1846 wurde die Schulsynode von Pfarrern präsidiert. Und damit die Diskussionen weniger ins Volk dringen konnten, tagte man unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Weil das Synodalgesetz von 1841 die Lehrerschaft in eine regierungstreue Minderheit und eine grosse oppositionelle Mehrheit schied, waren heftige Wortgefechte zu befürchten.
Der ersten Versammlung unter der Leitung von Pfarrer Johann Christoph Hug aus Wetzikon im Jahre 1841 blieben allerdings die meisten Lehrer fern; es fanden sich nur gerade 165 Stimmberechtigte in der Kirche Neumünster ein. Versammelt waren die Altgesinnten.
Und es rühmte die konservative "Bürklizeitung": «Noch nie hat eine Schulsynode wie die angeblich in Ketten geschmiedete so frei und ohne Menschenfurcht sich über die Lehrmittel geäussert, wie diese.»
Die liberaler eingestellte «Schulzeitung» indessen meinte zum schlechten Besuch, nur noch über das Schulwesen reden zu dürfen, sei für Schullehrer nicht interessant. «Könnte man nur noch ein wenig politisieren oder hätte wenigstens das schöne Geschlecht Zutritt, dann könnte es noch angehen, das wäre etwas zur Kurzweil!»
Bereits an der Zusammenkunft 1842 machten die liberalen Lehrer dem präsidierenden Pfarrer Hug das Leben schwer. Am Ende der siebenstündigen Verhandlungen gab dieser seiner Freude darüber Ausdruck, dass sein Martyrium zu Ende sei.
Schulsynode wieder Standesvertretung der Gesamtlehrerschaft
1845 wurde wieder eine liberale Regierung gewählt. Die Lehrer der höheren Schulen erhielten wieder das Stimmrecht, was die Schulsynode erneut zur Standesvertretung der Gesamtlehrerschaft des Kantons machte.
Zürcher Volksschule auf solider Basis
Das Unterrichtsgesetz von 1859 und die Staatsverfassung von 1869 verankerten liberale und demokratische Grundsätze und stellten die Zürcher Volksschule auf eine solide Basis. Die kämpferischen Töne im Parlament der Lehrerschaft verklangen. Es wurden gar Stimmen laut, die Synode habe ihre Aufgabe, den Reformen zum Durchbruch zu verhelfen, erfüllt und könne abgeschafft werden.
Primarlehrerinnen im zürcherischen Schuldienst
1874 beschloss der Erziehungsrat die Aufnahme von Töchtern ans staatliche Lehrerseminar Küsnacht. So traten vermehrt Primarlehrerinnen in den zürcherischen Schuldienst ein. Die Mitgliedschaft in der Schulsynode konnten sie sich 1878 erkämpfen.
Weiterbildung an der Schulsynode
Seit 1841 verfolgte die Schulsynode den Zweck, die Lehrerschaft weiterzubilden. An jeder Versammlung wurde deshalb - wie heute noch - ein Vortrag aus dem Bildungswesen gehalten. Die behandelten Themen zeigen, dass man sich stets über Neuerungen orientieren liess, aber auch, dass es Dauerbrenner gibt.
Als Beispiele seien einige Titel solcher Vorträge angeführt:
- 1845
- Warum trägt unsere Volksschule nicht die gehofften Früchte?
- 1859
- Über die Teilung der Schulen unter mehrere Lehrer
- 1865
- Die zeitgemässe Lehrerbildung
- 1871
- Über die Unzulänglichkeit der jetzigen Schulinspektion
- 1875
- Über die Beteiligung des weiblichen Geschlechtes am öffentlichen Unterricht
- 1910
- Die Selbstregierung der Schüler
- 1961
- Der Erziehungsauftrag der Schule
- 1979
- Beziehungen zwischen Schule, Wirtschaft und Technik
Zu grosse, unbewegliche Organisation?
Nachdem verschiedene Lehrervereine und Stufenorganisationen entstanden waren, wurde in den 1920er Jahren erwogen, die Schulsynode aufzulösen. Man machte etwa geltend, hier würden vor allem Fragen der Volksschule verhandelt und das sei für Mittelschullehrer und Universitätsdozenten nicht interessant. Die Synode sei zu einer grossen, unbeweglichen Organisation angewachsen und für eine vollzählig besuchte Versammlung stünde im ganzen Kanton kein genügend grosses Lokal mehr zur Verfügung.
Reform der Synodalorganisation
Um 1960 strebte der Synodalvorstand eine Reform der Synodalorganisation an. Da sich diese nach Meinung der Erziehungsdirektion im Rahmen der geltenden Gesetze bewegen musste, blieb indessen nur wenig Spielraum. 1978 verkündete Erziehungsdirektor Alfred Gilgen: «Die Synodalorganisation wird neu gestaltet… Wenn der Zeitplan eingehalten werden kann, dürfte die heutige Synode in dieser Form die zweitletzte sein.» Doch es kam anders und die Synode blieb bestehen.
Volksschulreform soll die Schulsynode abschaffen
Mit der kantonalen Abstimmung von 1998 über die Eingliederung der Berufsbildung in die Bildungsdirektion und die Schaffung eines Bildungsrates wurde die Verankerung der Schulsynode aus der Verfassung des Kantons Zürich gestrichen. Im Zuge der Volksschulreform sollte die Schulsynode abgeschafft werden. Ein Komitee hat sich aber energisch für deren Erhalt eingesetzt und dessen Arbeit ist mit der Annahme des neuen Bildungsgesetzes belohnt worden.
Letzte Synodalvollversammlung
2004 wurde vom damaligen Synodalpräsidenten Stefan Rubin die letzte Schulsynode am traditionellen Synodenmontag durchgeführt.
Schulsynode als Dachorganisation
Seit 2004 gelten nun die neuen, im Bildungsgesetz von 2002 formulierten Grundsätze. Die Mitglieder der Schulsynode sind die Lehrkräfte der Volks- Mittel- und Berufsfachschulen. Die Schulsynode ist die Dachorganisation der kantonalen Teilkonferenzen, nämlich der Lehrpersonenkonferenzen der Volks-, Berufs- und Mittelschulen (LKV, LKB, LKV).
Es gibt keine Synodalversammlungen aller Lehrpersonen mehr, nur der Vorstand der Schulsynode, gebildet aus den Präsidenten von LKV, LKB und LKM, trifft sich regelmässig zur Absprache bildungspolitischer Fragen aus den Teilkonferenzen.
Literaturangaben:
- Bittersüss, Chiridonius: Verteidigungsrede, gehalten vor den H. Obergerichte des Cantons Zürich, Zürich 1844
- Erziehungsrat (Hrsg): Die Zürcherische Volksschule 1832 bis 1932. Festschrift zur Jahrhundertfeier, Zürich 1933
- Gassmann, Emil: Die zürcherische Volksschule … von 1872 bis 1932. In: Festschrift, Zürich 1933
- Geschichte des Kantons Zürich, Band 3, Werd-Verlag, Zürich 1994
- Gubler, Heinrich: Die zürcherischen Volksschulen von 1831 bis 1845. In: Festschrift, Zürich 1933
- Heidelberger-Leonard, Irene: Jean Améry - Revolte in der Resignation, Stuttgart 2004
- Kreis, Hans: Die Zürcherische Volksschule von 1845 bis 1872. In: Festschrift, Zürich 1933
- Rubin, Stefan: Rede anlässlich der Festversammlung der Schulsynode des Kantons Zürich in Winterthur am 21. Juni 2004
- Ziegler, Peter: Zürcher Kantonaler Lehrerverein 1893 bis 1993, Wädenswil 1993